Zahl der Abdominalbeine

 

Über die taxonomische Bedeutung der Zahl der Abdominalbeine und deren partielle „Reduktion“ für die Systematik der Noctuidae

Die Abdominalbeine treten bei den Lepidopterenlarven im allgemeinen auf S3-S6 und auf S10 (als Nachschieber) auf. Die scheinbare, teilweise bis völlige „Reduktion“ der Beine auf S3 und S4 (vor allem bei „quadrifinen“ Noktuiden, aber auch bei den meisten Plusiinae) ist in früheren Zeiten mit einem taxonomisch sehr hohen Stellenwert bedacht worden, was hier fast völlig abgelehnt wird. Hier wird die Auffassung vertreten, dass die scheinbare, unterschiedlich starke „Reduktion“ der betreffenden Beine Ausdruck eines graduellen Hemm-Mechanismus ist. Die durchaus noch vorhandenen genetischen Anlagen (Strukturgene) für die Entwicklung der Beine werden daran gehindert, überhaupt nicht oder nicht vollständig realisiert zu werden. Für die bisherige Systematik ist, nach der Vorstellung von der Reduktion von Merkmalen, für die Plusiinae nicht erklärbar, dass ausgerechnet ihre höchstentwickelten Vertreter, die Abrostolini, voll entwickelte Beine auf S3 und S4 besitzen, wogegen die übrigen Plusiinae dort entweder gar keine Beine haben (Plusiini) oder nur in sehr geringer Ausbildung als hakenlose Warze (mit den Borsten SV2, SV3 und V1) und mit einem zapfenartigen Fortsatz (= peglike process, Fig. 474b-f). Für eine Hemmung der betreffenden Anlagen spricht ferner, dass bei vielen ursprünglicheren Gruppen der Noctuidae die betreffenden Beine fehlen oder nur gering entwickelt sind (wobei reine Blattbewohner auch hier die ganze, vollentwickelte Beinzahl ab dem L1-Stadium aufweisen können, z. B. die Rivulinae und Euteliinae), wogegen sie ausgerechnet bei den evolutiv jüngsten U.-Fam., wenigstens in den letzten Stadien, voll ausgebildet sind. Bei ex-ovo-Zuchten zeigt die Larvalentwicklung der betreffenden Arten fast stets die Erscheinung, dass in den ersten Stadien (bes. L1-) die Beine auf S3 und S4 deutlich kleiner sind als auf S5 und S6 (oder sogar fehlen). Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine Adaption zugunsten einer rascheren, geometridenartigen Lokomotions(= Fortbewegungs)-Fähigkeit. Im L1-Stadium mit dem nach dem Schlüpfen aus dem Ei oft fast einen Tag andauernden, unruhigen „Suchverhalten“, das aber nicht nur ein Suchen und Finden der Nahrungspflanze zum Ziel hat (denn trotz dargebotener Futterpflanze hält dieses Wanderverhalten an), sondern eher die Zerstreuung der Nachkommen auf eine große Fläche, ist eine, proportional zur geringen Größe der Eiraupe, raschere Fortbewegungsweise vorteilhaft (daneben treten jedoch auch Arten auf, die in Kontakt bleiben, offenbar nicht wandern und als Gemeinschaften auf Blättern angetroffen werden können; der Zustand der Abd-Beine dieser Taxa wurde dabei nicht überprüft). Es gibt auch hochevolvierte U.-Fam. (z. B. die Acronictinae und Bryophilinae), deren Larven am Ort der Eiablage bleiben und im L1-Stadium alle Beine vollentwickelt zeigen. Damit ist der taxonomische Wert des betreffenden Merkmals („reduzierte“ Beine auf S3 und S4) mit Vorsicht zu beurteilen, der diagnostische Wert wird nicht bestritten. Vgl. auch die Situation der Beinzahl bei den Plusiinae.