Plusiinae

 

Plusiinae
Kommentar zur Bedeutung der Subserrula (= Radiola auct.)

Diese Bildung wurde von Eichlin & Cunningham (1978) als Radiola bezeichnet - eine Bezeichnung, die wegen der damit implizierten Beziehung zur Radula der Mollusca unangebracht ist; hier wird die neutrale Bezeichnung Subserrula eingeführt, die sich auf die Lage dieser Bildung, ventral von der Serrula, bezieht; die Funktion dieser Bildung ist bislang unbekannt - vermutlich handelt es sich dabei um eine zusätzliche, gegliederte und damit zu einem gewissen Grad „bewegliche“ Chitinleiste, die eine zusätzliche, laterale Stabilisierung des Hypopharynx bewirkt; eine radierende Funktion gemäß der Radula der Mollusken ist völlig ausgeschlossen. Lafontaine & Poole (1991: 25) sind der Ansicht, daß die „Radiola“ das einzige, überzeugende Kennzeichen sei, das die Vereinigung der „Abrostolini“ mit den übrigen Plusiinae rechtfertige, und dass dieses Merkmal, obwohl es nicht allen Plusiinae zukommt, für diese U.-Fam. (innerhalb der Noctuidae) einmalig sei. Die Subserrula (Radiola auct.) tritt im übrigen aber auch bei fast allen Eublemminae auf (bei der Bryophilinae B. muralis, Fig. 400b) und wird auch bei den Catocalinae, bei Drasteria cailino Lefebvre, Fig. 126, beobachtet. Die Subserrula der Plusiinae hat also keinesfalls den hohen Stellenwert einer Autapomorphie.

Bemerkungen zur gegenwärtigen höheren Klassifizierung der Plusiinae:

Kitching (1987) hat die diesbezüglichen, bisherigen Bemühungen zusammenfassend kritisch beleuchtet und eigene Untersuchungsergebnisse zugefügt. Die ursprüngliche Aufgliederung der Plusiinae in drei Tribus basiert primär auf larvalen Merkmalen (Eichlin & Cunningham, 1978); auf der Basis imaginaler Merkmale hat Kitching die Tribus Omorphini den Plusiinae zugeordnet.

Aufgrund der Überprüfung von umfangreichem, larvalem Material ist es nun möglich, präzisere Definitionen für die bereits bestehenden Tribus und Subtribus zu geben. Zum Teil ergeben sich aber gerade durch diese Untersuchungen auch erhebliche Umordnungen. Damit wird dem gegenwärtigen, imaginalen System eine larvale Alternative gegenübergestellt.

Sowohl die bisherige Beurteilung in der Reihenfolge der Höherdifferenzierung der Tribus („Abrostolini“ die ursprünglichste Gruppe!, Ichinosé, 1962b; Eichlin & Cunningham, 1978; Kitching, 1987: 176), wie auch die Gliederung in spezifische Tribus sind aufgrund der vorliegenden Untersuchung imaginal-systematisch neu zu überdenken. Ein eigenes, umfangreiches Kapitel für diesen Gegenstand ist nicht der Sinn dieser Arbeit. Sie bringt aber durch die Gliederung in entsprechende, höhere Taxa (Tribus und Subtribus), beigefügte Diagnosen, Bestimmungsschlüssel (die wichtige systematische Merkmale enthalten) und durch entsprechende, begründete Kombinationen das Material für die weitere imaginal-larval-systematische Diskussion. Einige Bemerkungen sollen indessen hier in die Diskussion eingeführt werden:

Abrostolini (Abrostolinae): Gegen den phylogenetisch ursprünglichen Zustand der Abrostolini - aufgrund der auch auf S3 und S4 vorhandenen, voll entwickelten Abd-Beine - sprechen folgende Tatsachen: Obwohl alle Abd-Beine vorhanden sind, zeigen die Raupen (vor allem im konserv. Zustand) die gleiche charakteristische Do-Krümmung zwischen SIII und S5 wie auch die übrigen Plusiinae (Ausnahme u. U. Plusia). Diese für die Abrostolina, trotz des Vorhandenseins aller vier vollentwickelten Abd-Beinpaare auf S3 bis S6, eigenartige, „unmotivierte“ und somit unerklärliche Körperform und -haltung ist nur als Relikt eines, ursprünglich, mit den übrigen Plusiinae gleichartigen Zustandes des Körpers verständlich; d. h., die Abrostolina haben früher, wie die übrigen Plusiinae, nur auf S5 und S6 vollentwickelte Abd-Beine besessen. Für diesen Umstand sprechen auch die „unbegründete“, stärkere Annäherung (in longit Richtung) der D1- und D2-Bpe auf S5 und S6 (zu flacheren Trapezen) im Vergleich zu den „Trapezen“ der betreffenden Bpe auf S4 und S7 (Fig. 447b); dieser Zustand entspricht vollkommen der entsprechenden Situation bei den Catocalinae (Catocalini) (Fig. 97), wo auf S3 und S4 die Beine höchstens halb so lang sind wie auf S5 und S6 und wo, wegen der Schwerpunktverlagerung der Bewegung auf S5 und S6 (sowie S10) eine Verkürzung dieser S in longit Richtung erfolgte mit entsprechender Annäherung der D-Bpe zu flachen Trapezen. Nach Aufhebung der Entwicklungshemmung für die Abd-Beine auf S3 und S4 (durch Entblockung der betreffenden Strukturgene) etablierte sich deren heutiger Zustand; die sonst unerklärbare Körperhaltung und die Annäherung der D-Bpe auf S5 und S6 blieb für die Abrostolina aber erhalten. S1 ist do, ornamental, besonders betont (wie auch S8). Die Ornamentik der ursprünglicheren Vertreter dieser Gruppe, Abrostola s.str. Beck (mit tripartita Hufnagel und triplasia Linnaeus, jeweils s. Mikkola & Honey, 1993), zeigt in bezug auf die do Diagonalorientierung des Liniensystems weitgehende Übereinstimmung mit den stark abgeleiteten Formen der Plusiinae (z. B. Tetrargentia, Diachrysia s. l., Panchrysia, Lamprotes und Plusidia). Die Zahl und Stellung der ventralen Borsten auf S1 (auf S1 nur zwei SV-Borsten) und S2 (Fig. 461a) stimmt mit den Gegebenheiten bei Diachrysia s. l. (Fig. 461b, c) überein. Diachrysia stellt ebenfalls eine stark abgeleitete Gruppe dar, die larvalornamental die Entwicklung der do Diagonal-Zeichnung einleitet. Eine weitere Übereinstimmung der Abrostolina mit Diachrysia s. l. ist das unverhältnismäßig lange Grundglied des Palpus maxillaris (Fig. 450c, 462a-d). Das Auftreten einer Subserrula („Radiola“) und die Art der stark reduzierten Hypopharynxbestachelung im proximalen Teil (Fig. 449d, 450c, 462c, d) sprechen ebenfalls für eine Spezialisierung, die über jene der Taxa von Diachrysia hinaus geht; nur Diachrysia (Chrychrysia) chrysitis (Linnaeus) zeigt eine vergleichbare Hypopharynxausstattung (Fig. 463a) mit einer Subserrula, die bei Diachrysia (Diachrysia) chryson (Esper) und Diachrysia (Zosichrysia) zosimi (Hübner) fehlt (Fig. 462a, 463b). Eine innerhalb der Plusiinae einmalige Bildung ist das (sehr) lange Grundglied Ants1 der Antenne bei Abrostola s. l. bei langem Ants2 (Fig. 453b, 464a, b), wogegen Ants1 bei Diachrysia s. l. nur halb so lang wie breit ist, bei langem bis kurzem Ants2 (Fig. 453a, 464c, d). Die eigenartige, durch einen Processus auf der Außenseite von den anderen Plusiinae verschiedene Mandibel (Fig. 452e, 465a-c) ist ebenfalls Ausdruck der besonderen Spezialisierung. Alle diese Merkmale belegen einerseits den hohen Spezialisierungsgrad von Abrostola s. l., andererseits aber auch enge Beziehungen zu Diachrysia s. l. Das heißt, das Auftreten aller (vollentwickelter) Abd-Beine ist eine reverse Erscheinung und taxonomisch von untergeordneter Bedeutung. Es kann damit weder eine Sonderstellung der Abrostolini im Sinne einer Tribus noch eine anderweitig von den übrigen Plusiinae (zumindest nicht von Diachrysia s. l.) isolierte, taxonomisch höherwertige Einheit abgeleitet werden. Die Tribus Abrostolini ist somit neu zu definieren.

Euchalciini: Zu dieser Tribus muss auf Grund larvaler Merkmale (wie in der Imaginalsystematik bereits geschehen) auch Polychrysia und Plusidia (jeweils als Subtribus) gerechnet werden. Die außerordentlich charakteristische Zeichnung von Plusidia ermöglicht es, zusammen mit morphol. Merkmalen, weitere Gattungen hier zu integrieren. Es sind dies Tetrargentia, Lamprotes und Panchrysia. Vgl. auch Kitching (1987: 196), der innerhalb einer Subtribus Gattungsgruppen herausstellt, die z. T. mit hier aufgestellten Subtribus zusammenfallen. Die „Kettenreaktion“, die durch die Aufwertung der Euchalciina zur Tribus Euchalciini in Erscheinung tritt, findet somit auch imaginal eine gewisse Bestätigung.