Meseuxoa gen. nov.

 

Gattung Meseuxoa gen. nov.
(Typus: lidia Stoll, 1782)
(= Euxoa Hübner auct., = Mesoeuxoa Corti, 1932 - Typus: auxiliaris Grote, 1873)

Material: eine geblasene LL-Larve aus dem Zool. Museum der Univ. Hamburg, leg., ex ovo Sartorius, ix.1912, D - vic Hamburg.

Diskussion (in bezug auf Chorizagrotis lidia Stoll): Nach Forster & Wohlfahrt (1971) ist Chorizagrotis eine selbstständige, von Euxoa verschiedene Gattung; nach Hartig & Heinicke, 1973, eine Euxoa, nach Hartig, 1975 pers. Mitt., eine gute Gattung, nach Heinicke, 1982, eine U.-Gattung von Euxoa, letztere Ansicht vertritt auch Hacker, 1990b und Fibiger, 1990. Hier wird für lidia Stoll eine eigene Gattung aufgrund der erheblichen Unterschiede gegenüber Euxoa und der erheblichen Übereinstimmungen mit Agrotis (vor allem des Eies und der Biologie) aufgestellt.

In Bezug auf die generische Zugehörigkeit von lidia Stoll ist zu prüfen, ob diese Art mit dem Typus von Chorizagrotis (auxiliaris Grote) congenerisch ist, das heißt auch, inwieweit lidia mit den relativ langflügligen, europäischen Taxa adumbrata Eversmann und penelope Fibiger, 1997 in die U.-Gattung Chorizagrotis, bzw. zu Euxoa gehört. Lafontaine (1987) und, diesem folgend, Fibiger (1997) sind der Ansicht, dass lidia zu Chorizagrotis und mit diesem Subgenus zu Euxoa gehört.

Von den europäischen Arten ist, mit Ausnahme von lidia, die Biologie der Eier und Larven noch nicht bekannt. Für die nordamerikanischen Arten ist für C. auxiliaris folgendes Verhalten belegt (Lafontaine, 1987: 30-31): Die Imagines fliegen im Frühjahr, wandern anschließend zum Übersommern auf Gebirgs-Erhebungen, um sich nach der Rückkehr im Herbst zu paaren. Für die anderen Chorizagrotis-Arten der ariden Gebiete wird ein gleichartiges Verhalten angenommen, weil deren Larven in den trockenen Sommermonaten keine Überlebenschance haben. Lafontaine (1987: 16) ist der Meinung, dass zwischen den Eiern von Agrotis und Euxoa kein Unterschied besteht. Das kann bei letzterer schon aufgrund der Ablage im erdigen Substrat und wegen des langen Liegens der Eier (mit darin vollentwickelter Eilarve) nicht möglich sein. Dem widersprechen auch die eigenen Beobachtungen in Bezug auf das Ablageverhalten und die Ausfärbung der „Agrotis“-sensu-lato-Eier; außerdem hat Döring (1956) auch auf bestehende, strukturelle Unterschiede bei den Eiern hingewiesen, wobei die der Crassagrotis-Arten hierin denjenigen von Euxoa entsprechen. So sind die Eier von Euxoa und Crassagrotis „weichschalig“ mit einer netzartigen Wabenstruktur, während die von lidia (Sartorius, 1906: 93) und von den Agrotis-Arten sensu lato Radialrippen aufweisen.

In Bezug auf die Zugehörigkeit von lidia zu Chorizagrotis sensu Lafontaine und damit zu Euxoa sind weitere, berechtigte Zweifel angebracht. Imaginalhabituell, mit Ausnahme der weißen Nierenmakel, des Kontrastes der Patagia und des abweichenden Verlaufes der Antemediane ist lidia eine Euxoa. Die Antemediane macht auf der Costa einen distalen Sprung bis zum Basalrand der Ringmakel, so dass der subcostale Part der Antemediane in der Mitte zwischen deren costalem Rest und der basalen Querlinie liegt; bei Euxoa-Arten, mit deutlicher Antemediane, z. B. bei decora, läuft diese Linie auch im costalen Bereich in direkter Verlängerung der übrigen Antemediane. Ob lidia zu Chorizagrotis, mit seinen lang- und schmalvorderflügligen Vertretern, bes. auxiliaris, gehört, ist ebenfalls fragwürdig. Nach der Genitalarmatur (Valve) ist lidia eine spezialisierte Euxoa, die von Lafontaine (1987) mit den Arten von Euxoa (Palaeoeuxoa) verglichen wird. Letztere haben einen sehr kurzen, aber kräftigen Saccularprozess, wogegen dieser Prozess bei den Chorizagrotis-Arten, im Gegensatz zu den übrigen Euxoa-Arten, sehr lang und bis zur Spitze linealisch ist und dort gerundet oder spatelförmig erweitert endet; die Harpe dagegen ist, im Vergleich zu derjenigen der Euxoa-Arten [Ausnahmen E. (Euxoa) mitis (Smith) und E. (Orosagrotis) nomas incognita (Smith), vgl. Lafontaine, 1987: plate O, figs. 1 und 3] relativ kurz; im übrigen besteht zwischen den Basen dieser beiden Prozesse eine feste, stark chitinisierte Verbindung (zur Stabilisierung des stark abstehenden und kräftigen Saccularprozesses), die gegen die Basis des Saccularprozesses aufsteigend orientiert ist, während bei allen anderen Euxoa-Arten diese Basis, gegenüber der Basis der Harpe entweder basalwärts verlagert ist oder sich höchstens auf gleicher Höhe mit ihr befindet. Diese Umorganisation und statische Neuorientierung zwischen den Valvenprozessen von Palaeoeuxoa hin zu Chorizagrotis ist eine spezifische Entwicklung und bedeutet, daß von „Chorizagrotislidia mit ihrem hohen Anteil an agrotoiden Merkmalen keine Entwicklung hin zu Agrotis zu erwarten ist. Diese muß somit früher stattgefunden haben und damit bietet sich Palaeoeuxoa, mit seinen ancestralen Vertretern, als Modell in der Art an, dass sich durch eine weitergehende Disproportionierung im Verhältnis der Größen der beiden Valvenprozesse, bis hin zum völligen Verschwinden des Saccularprozesses, die Entwicklung, hin zur typischen Form der „Agrotis“ und Dichagyrina-Valve anbahnt. Kaum anders ist die eigenartige, basale, ambossförmige Gestalt der Harpe dieser Taxa - unter Einbeziehung des Sacculus! - erklärbar. Damit wären sowohl Chorizagrotis (ohne lidia) sensu Lafontaine und Fibiger wie auch die verschiedenen Subgenera von Euxoa nichts anderes als verschieden stark spezialisierte Gruppierungen des Palaeoeuxoa-Typs auf der einen Seite, dem auf der anderen Seite die verschiedenen Gattungen der Dichagyrina und Agrotina gegenüberstehen. Lidia selbst müsste dann den Status einer eigenen Gattung, im Übergangsfeld zwischen beiden Ästen (Euxoina und Agrotina/Dichagyrina), beanspruchen.

Wie die mit den Chorizagrotis-Arten übereinstimmenden männlichen genitalmorphologischen Eigentümlichkeiten erklärt werden können, ist eine Sache für sich: es kann sich hierbei um ein konservatives Element handeln, aber auch um die Reaktivierung bereits stillgelegter, blockierter Gene. Auf keinen Fall kann und darf bei der erkennbaren komplexen und gegenüber Euxoa in vielen Punkten abweichenden Situation allein auf der genitalmorphologischen Basis eine systematische Entscheidung getroffen werden.